Reloaded: Nachgefragt bei … Irina

Screenshot von buecher.ueber-alles.netFoto: Irina Ditter

Wie kamst du auf die Idee, über Bücher zu bloggen?

Ich wollte ursprünglich nur mein persönliches Lesetagebuch führen, in dem ich meine Neuzugänge und Abgänge verzeichne und kurze Eindrücke zu den von mir gelesenen Büchern festhalte – als Erinnerungsstütze für mich selbst, weil ich ein wahnsinnig schlechtes Gedächtnis habe. Mit einer zunehmenden Zahl an Besuchern wurde die Sache aber dann doch größer und vielfältiger und die Rezensionen (meist) länger und ausführlicher.

Wie viel Zeit wendest du ungefähr die Woche zum Bloggen auf?

Ehrlich gesagt denke ich mir hin und wieder, dass ich deutlich zu viel Zeit aufwende – Zeit, die ich besser fürs Lesen nutzen könnte! 😉 Ernsthaft: Ich würde schätzen, dass es im Schnitt mindestens 15 Stunden pro Woche sind.

Wie würdest du die Entwicklung in der Buchbloggerwelt beurteilen?

Es ist ja nicht zu übersehen, dass in letzter Zeit eine Vielzahl von Blogs aus dem Boden geschossen sind, die nicht gerade durch ihre Individualität und Qualität auffallen. Die meisten von ihnen werden vermutlich relativ schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, aber genauso schnell werden noch mehr neue Blogs auftauchen – und zwar so lange, wie die Verlage unselektiert Massen von Rezensionsexemplaren an die Blogger rausschicken.

Bei mir persönlich hat das Blogwachstum dazu geführt, dass ich eine Weile viel zu viel Zeit damit verbracht habe, mich durch die Überschriften von gefühlten 500 Blogs zu zappen und schließlich radikal aussortiert habe. Ich muss wirklich nicht auf hundert Blogs lesen, dass xy ein Gewinnspiel veranstaltet, dass der liebe, wundervolle xy-Verlag ein Rezensionsexemplar geschickt hat oder was bei Lovelybooks passiert. Inzwischen verfolge ich nur noch eine Handvoll Buchblogs regelmäßig, nämlich solche, die entweder richtig gut geschrieben sind und/oder thematisch meine bevorzugten Genres abdecken.

Was macht für dich eine gute Rezension aus?

Ehrlichkeit, ein kritischer Blick des Rezensenten, bestenfalls ein unterhaltsamer Stil und natürlich Sprachkompetenz – eine Rezension, die vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern wimmelt, kann ich nicht ernst nehmen.

Wie hältst du es mit Rezensionsexemplaren in deinem Blog?

Ich frage relativ selten Rezensionsexemplare an, weil ich mich nicht selbst unter Druck setzen und nicht das Gefühl haben will, ein Buch schnellstmöglich lesen zu müssen, obwohl ich gerade gar keine Lust darauf habe. Ich habe immer wieder festgestellt, dass ich in 80% der Fälle nicht mehr in Stimmung für ein Rezensionsexemplar bin, sobald es erst mal eingetroffen ist – und das, obwohl ich es vorher unbedingt haben wollte.

Außerdem beurteilt man m.E. ein selbst gekauftes Buch freier und unbeeinflusster als ein Rezensionsexemplar, bei dem man den Link an die Besprechung nachher an den Verlag schickt – zumindest dann, wenn es einem weniger gut gefällt. Ich bin ja nun wirklich nicht für meine nachsichtigen Einschätzungen von schlechten Büchern bekannt, aber einen richtig bösartigen Verriss würde ich zu einem Rezensionsexemplar eher nicht schreiben. Natürlich bespreche ich ein vom Verlag zur Verfügung gestelltes Buch trotzdem ehrlich und notfalls auch negativ, aber ich würde wohl sachlicher und u.U. vielleicht einen Tick zurückhaltender an die Rezension herangehen als bei einem selbst gekauften Buch. (Sachlichkeit ist natürlich grundsätzlich ohnehin keine schlechte Sache bei einer Buchbesprechung, aber es geht doch sooo viel unterhaltsamer!)

Hast du eine Lieblingsbücherseite (Buchhomepage, Büchermagazin, etc.) im Netz?

Zum Stöbern/Recherchieren: Amazon
Zum Bestellen: Book Depository

Wenn dich ein Litblogneuling nach einem Tipp fragen würde, welchen würdest du ihm geben?

Neue Buchblogger haben es heute wegen der Masse von Blogs vermutlich schwerer als ich damals, einen Fuß auf den Boden zu kriegen und überhaupt wahrgenommen zu werden. Insofern ist ganz sicher Individualität Trumpf – du musst schon mit den ersten Postings beweisen, dass du was anderes machst als die dreihundert Leute vor dir, die den Vorteil haben, schon länger dabei zu sein.

Davon abgesehen ist es gerade am Anfang wichtig, regelmäßig Artikel zu verfassen und möglichst zeitnah auf Kommentare zu antworten. Vermutlich kann es auch nicht schaden, auf anderen Buchblogs durch Kommentare auf sich aufmerksam zu machen (ohne allzu penetrant für den eigenen Blog zu werben!) und Tools wie Google-Friends-Connect zu einzusetzen. Im Moment ist es ja auch ziemlich in Mode, Gewinnspiele zu veranstalten, bei denen Teilnahmebedingung ist, über das Gewinnspiel zu berichten. Das finde ich persönlich völlig nervig, und ich kenn nicht wenige Leute, denen das ebenso geht; ich würde so was insofern eher nicht empfehlen.

Ansonsten ist es auf lange Sicht ganz bestimmt der einzig richtige Weg, sich selbst und seinen Interessen treu zu bleiben und keine Dinge zu tun, nur weil sie mutmaßlich die Beliebtheit steigern und Besucher bringen – das kann man ohnehin nicht durchhalten.

Du bist ja Lektorin – wirkt sich das auf dein privates Lesen aus?

Ich denke schon, dass sich das auswirkt. Zum einen fallen mir Satzfehler sofort ins Auge, zum anderen betrachte ich Sprache und Stil berufsbedingt vermutlich deutlich kritischer als andere. Außerdem habe ich wahrscheinlich auch einen leicht geschärften Blick für Geschichte und Figuren – manchmal geh ich wohl zugegebenermaßen auch ein bisschen zu rational und analytisch an eine fiktive Geschichte heran. Ob Letzteres aber wirklich mit dem Lektoratsberuf zu tun hat oder einfach eine Frage des Denkens bzw. meiner Persönlichkeit ist, da bin ich mir nicht ganz sicher.

Ich kann ein Buch übrigens trotzdem genießen. Es muss nur gut sein, und am besten auch noch herzzerreißend! 😉

Wie viele Stunden liest du die Woche?

Das ist total unterschiedlich und hängt stark davon ab, wie viel Arbeit ich habe, was privat so anliegt und welche Schicht mein Mann arbeitet. Außerdem spielt es natürlich eine Rolle, wie gut das Buch ist, das ich gerade lese – ist es fesselnd, schaffe ich mir eher Freiräume zum Lesen. Meine wöchentliche Lesezeit schwankt wohl zwischen 6 und 18 Stunden, grob geschätzt.

Hast du Leserituale und/oder Leseutensilien, die du immer nutzt?

Ich hab keine Leserituale. Ich les meist im Sessel – mit der Schmuserolle oder noch viel häufiger mit einem Kissen in Gestalt eines Schafs als Unterlage. Ansonsten benutz ich natürlich Lesezeichen (auch behelfsmäßige in Form von Kassenbons über Tempos bis hin zu Haargummis, wenn nichts anderes zur Hand ist), und Bookdarts liegen ebenfalls immer griffbereit.

Was sagt dein Umfeld zu deiner Leseleidenschaft?

Für mein Umfeld ist das nicht allzu ungewöhnlich, denn meine Freunde und Verwandten lesen selbst alle. Es ist jetzt allerdings auch nicht so, dass ich so besessen von meiner Leseleidenschaft wäre, dass ich in meinem Umfeld über nichts anderes reden würde, insofern fällt das gar nicht weiter auf. Meine Sportkollegen, mit denen ich ein bis zweimal pro Woche nach dem Training einen Trinken gehe, wissen größtenteils noch nicht mal von meiner Leseleidenschaft – und das nicht etwa, weil ich mich dafür schämen würde, sondern weil das Thema einfach nie darauf gekommen ist.

Dein absolutes Lieblingsgenre sind Liebesromane – gab es da ein Schlüsselerlebnis oder „warst“ du schon immer so?

Nein, ich war nicht immer so, im Gegenteil: Ich bin erst Ende 2006 zum Liebesroman gekommen; vorher hab ich im Wesentlichen Krimis und ein bisschen All-Age-Bücher gelesen – und eine Weile auch fast gar nichts.

»Schuld« an meiner Liebesromanbegeisterung ist meine Mutter, die mir aus unerfindlichen Gründen »Bis(s) zum Morgengrauen« zu Weihnachten geschenkt hat. Ich war total begeistert von diesem Buch und wollte unbedingt mehr Vampirliebesgeschichten lesen – allerdings etwas weniger keusche, für Erwachsene. So bin ich auf Christine Feehans Karpathianer gekommen, die ich damals toll fand, inzwischen aber hasse, und anschließend auf die beiden Vampirliebesromane von Teresa Medeiros. Letztere waren gleichzeitig auch historische Liebesromane – mit ihnen nahm das Unheil seinen Lauf. 😉

Wie würdest du deinem SuB charakterisieren?

Kurz gesagt: als zu groß.

Ich hab keine Ahnung, wie viele Bücher mein SuB tatsächlich umfasst, weil ich keine Liste führe und die ungelesenen Bücher zwischen den gelesenen in den Regalen stehen – aber es sind bestimmt mindestens 500. (Ich rede mir ein, dass es schlimmer sein könnte!)

Wenn du ein Meet & Greet mit deinem Wunschautoren haben könntest, welcher wäre das?

Ich muss gestehen, dass ich mich in den seltensten Fällen für den Autor hinter einem Belletristikroman interessiere – ich lese auch praktisch nie Autorenbiografien oder Interviews. Allerdings habe ich nach den Berichten von der Buchmesse bereut, das Angebot von Script5 nicht angenommen zu haben, Maggie Stiefvater zu interviewen – die hätte ich doch gerne kennengelernt, so als Mensch.

Welchen Autoren würdest du gern einmal richtig die Meinung sagen (weil er einen deiner Helden hat sterben lassen oder ähnliches)?

Ich hätte Rowling genannt, hätte sie Harry Potter sterben lassen oder Snape zum Verräter an Dumbledore gemacht, aber da sie das nicht getan hat, fällt mir die Antwort schwer – in Liebesromanen tun die Autoren so gut wie nie unvorhersehbare oder gar gewagte Dinge, die die romantische Leserin aufbringen könnten.

Mich ärgert am ehesten, dass Autoren des Geldes wegen Serien weiterschreiben, obwohl ihnen offensichtlich die Ideen ausgegangen sind. Beispiele dafür gibts leider viele, am schlimmsten finde ich aber Martha Grimes, die ihren Inspektor Jury nicht endlich in den Ruhestand schickt, sondern ihn von Buch zu Buch mehr zugrunde richtet.

In welches Buch würdest du gern einmal hineinklettern, wenn du könntest?

In gar keins, ich bin ganz zufrieden hier! 😉 Früher wollte ich aber immer »Winnetou« retten – das wär ja ne gute Gelegenheit!

Magst du Buchverfilmungen? Wenn ja, welches Buch sollte unbedingt verfilmt werden? Oder eben grade nicht?

Ich stehe Buchverfilmungen relativ neutral gegenüber, weil ich eigentlich in den meisten Fällen den Film als eigenständiges Werk akzeptieren und verzeihen kann, wenn der eine oder andere Handlungsstrang vom Buch abweicht, solange der Grundton stimmt. Allerdings erschließt sich mir nicht wirklich, warum so oft ohne Not Handlungsstränge der Buchvorlage rausgeschmissen werden, um komplett neue dazuzuerfinden.

Wie stehst du generell zu Merchandising im Zusammenhang mit Büchern?

Ich fürchte, ich bin aus dem Merchandising-Alter raus – ich würde mir weder Twilight-Notizbücher noch Arkadien-T-Shirts kaufen und schon gar keine Figuren oder sowas. Möglicherweise könnte ich mich für eine Tasse begeistern, wenn sie besonders hübsch sein sollte.

Vielen Dank für das informative Interview und die Zeit, die du dir dafür genommen hast!

Das Interview wurde im Januar 2010 geführt und veröffentlicht.

9 Kommentare

  1. Schönes Interview. Ich bin sehr froh, dass Irina wieder bloggt. Auch wenn ich auf dem Blog weniger kommentiere als früher (lese halt immer am Tablet). 🙂 Sonst lese ich ja kaum noch Blogs, da es den Google Reader nicht mehr gibt, den ich immer genutzt habe.

    Ich würde auch gerne mehr rezensieren, aber da ist wieder das Problem, dass es sich am Tablet schlecht schreibt. Und ich den PC nur alle Jubeljahre mal anmache ^^ Und mein Blog ist eh so tot, da lohnt es sich quasi nicht neuanzufangen. Außerdem habe ich keine Spoiler-Funktion auf dem Blog, die ich bei GR echt liebe 😀

    Mehr Interviews wären immer gut! 🙂

    • Danke 🙂 Vielleicht ist das einer der Hauptgründe, warum Kommentare so stark abgenommen haben. Sehr viele Menschen sind ja hauptsächlich mit Smartphones und Tablets im Internet unterwegs. Und kommentieren empfinde ich tatsächlich mobil als anstrengender …

      Bei Blogspot kenne ich die technischen Möglichkeiten nicht, aber bei WordPress gibt es extra Apps zum bloggen und dann Plugins, um Funktionen im Blog hinzuzufügen. Ich finde es mit der App etwas fummelig, aber es ist wesentlich leichter als die normale Web-Ansicht.

  2. Ich finde es schön, dass du diese Rubrik wieder aufgenommen hast – und als Neueinstieg Irina nochmal zu interviewen und quasi Bilanz ziehen zu lassen, ist eine tolle Idee. Spannend, so ein Rückblick und Vergleich, was sich seit damals geändert hat.

    • Ja, ich finde das auch sehr spannend. Grad weil solche Vergleiche nicht überall zu finden sind. Ich muss mir jetzt mal überlegen, ob ich sozusagen auch das „Original“ wieder aufleben lasse.

  3. Pingback: Bücher über alles » [Flashback] April 2017

  4. Ich fände es spannend zu sehen, ob sich bei den anderen „Originalteilnehmern“ ebenso viel verändert hat wie bei mir bzw. ob es die Blogs überhaupt noch gibt. Mein Blog war ja vor nem halben Jahr auch noch Brachland.

    Erschreckend finde ich die Vorstellung, dass die Leser die Blogs nur noch mit mobilen Geräten ansurfen, vor allem mit Handys. Wenn ich mir ausmale, dass ich meine Mega-Rezensionen mit nem Handy lesen müsste, oh weh! Bis man da überhaupt zur Kommentarfunktion gelangt, ist einem ja der Finger abgefallen! Schätze, ich sollte mich dringend kürzer fassen! 😉 Mit einem Handy irgendwo zu kommentieren, kann ich mir übrigens auch nicht vorstellen; mit einem Tablet fände ich es aber kein Problem.

    Nach wie vor ist es schade, dass die Leute sich nicht mal zu kurzen Kommentaren aufraffen, denn sind wir ehrlich: Die Kommentare sind doch das Einzige, was uns zeigt, dass wir wirklich gelesen werden.

    • Ich habe mir grad mal die Liste angeschaut und würde sagen, 3/4 der Blogger bzw. Blogs sind noch da, wenn auch teilweise unter neuer URL oder mit weniger Blogteammitgliedern. Da gäbe es also reichlich Kandidaten, die ich anfragen könnte 🙂 Muss mir nur mal Gedanken über die Kriterien machen, wie ich auswähle.

      Die Vorstellung, dass alle nur noch mobil lesen, finde ich auch ziemlich erschreckend. Grad längere Beiträge wie Rezensionen, aber auch Reportagen etc. lesen sich für mein Empfinden viel bequemer an einem großen Bildschirm. Aber wenn ich mir meine Blogstatistiken anschaue, dann sind es hier 2/3 Dektop-Leser und 1/3 Mobil- oder Tablet-Leser. Einer der Gründe, warum ich endlich ein anderes Theme wollte, denn das hier ist nun responsiv, hat also eine gescheite mobile Darstellung.

      Und ich stimme dir auf jedem Fall zu: Kommentare sind der Goldstandard, was das gelesen werden angeht. Wenn keiner kommentiert, können die Klickzahlen noch so gut sein. Gefühlsmäßig schreibe ich dann ins Nichts. Weshalb ich mir auch immer wieder vornehme, mehr bei anderen zu kommentieren.

  5. Das ist mal eine richtig schöne Idee, das Interview nach Jahren nochmal zu führen. Mich würden weitere Neuauflagen auch sehr reizen. 😉

    Zu der Handy Sache: Ich lese inzwischen sehr viel mobil und zwar sowohl mit Handy als auch mit Tablet. Mit dem ersteren aber auch erst, seit ich ein etwas größeres habe. 😉
    Meistens lese ich mich kurz den Feed und markiere mir dann die Beiträge, bei denen ich länger kommentieren will – und das mache ich dann in aller Ruhe später am Laptop.

    • Hallo Helma, danke für deinen Kommentar 🙂 Ich sehe schon, Interesse ist definitiv vorhanden.

      Danke auch für den Einblick. Die Methode mit dem Markieren erscheint mir ganz gut praktikabel. Aber zumindest bei mir ist es so, dass ich paar Stunden später gar nicht mehr so große Lust auf dem Kommentar habe, wie wenn der Beitrag ganz frisch gelesen ist. Ich vermute, dass es anderen ähnlich geht. Wie auch immer, mobiles Lesen wird eher mehr statt weniger werden.

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