Den Auftakt bei den Interviews macht im neuen Jahr eine Bloggerin, die sich besonders für die Repräsentation von Queerness in Büchern stark macht: Katriona von Stürmische Seiten. Als Historikerin kritisiert sie in Blogbeiträgen zudem fachlich kompetent den Umgang mit Querness im geschichtlichen Kontext. Natürlich hat sie noch ganz viele andere Facetten und einige davon könnt Ihr in diesem Interview kennenlernen. Viel Spaß beim Lesen!
Interview mit Katriona von Stürmische Seiten
Wie würdest du dich selbst in drei Sätzen beschreiben?
Ich bin eine kritische Leserin, aber nicht unfair. Ich bin leidenschaftliche Historikerin und beschäftige mich vor allem gern mit den Themen, die oft übersehen werden. Ich liebe blöde Witze und kann mich auf Twitter und dem Blog da meistens nur zurückhalten, weil ich stattdessen meine Freunde damit nerve.
Wie kamst du auf die Idee, über Bücher zu bloggen?
Oh je. Ich blogge schon so lang, dass ich da jetzt wirklich scharf nachdenken muss. „Stürmische Seiten“ ist nicht mein erstes Bücherblog, ich habe davor schon einige (kurzlebige) Blogprojekte gehabt, aber ich weiß wirklich nicht mehr, warum ich angefangen habe. Wahrscheinlich, weil ich einfach sehr gern über Bücher spreche und Bücher, die ich liebe, weiterempfehlen möchte.
„Stürmische Seiten“ wollte ich 2017 (als das Blog noch der Teesalon war) eigentlich nutzen, um mein Auslandssemester in Norwegen zu dokumentieren. Das habe ich dann nicht gemacht, sondern stattdessen doch wieder über Bücher gebloggt, da ich in Norwegen wieder angefangen habe, viel zu lesen. Deshalb verbinde ich mein Blog auch stark mit Bergen und der neue Blogname ist eine kleine Anspielung auf das raue Wetter an der norwegischen Küste.
Beeinflusst dein Studium der Geschichte dich beim Lesen und Bloggen?
Na klar! Ich lese sehr gern historische Fiktion und blogge natürlich auch über diese. Ich kann mich bei historischen Romanen auch nie zurückhalten, in meinen Rezensionen sind sehr oft Bilder von historischer Mode und dergleichen enthalten, einfach, weil ich mich dafür so sehr begeistern kann. Ich muss aber auch zugeben, dass es mir auch wirklich Spaß macht, meine „Histo Rants“ zu schreiben, in denen ich historisch weniger Authentisches gern mal ein bisschen auseinandernehme. Ich spreche einfach zu gern über Geschichte und solche Bücher bringen dafür am meisten Material mit.
Darüber hinaus schreibe ich auch gern ganz generell über die Darstellung von Geschichte in Romanen und über Trends und auch Probleme des Genres und hoffe, dass sich die Leser.innen dafür interessieren oder sogar einiges davon für eigene historische Romane mitnehmen können.
Wie viel Zeit wendest du ungefähr die Woche zum Bloggen auf?
Ich achte da ehrlich gesagt nicht drauf. Das Blog ist neben dem Schreiben und dem Lesen im Moment mein wichtigstes Hobby und ich blogge, wenn ich gerade Lust und Zeit dazu habe. Meist schreibe ich Rezensionen, sobald ich das Buch ausgelesen habe, und auch meine anderen Posts sind selten geplant, sondern entstehen spontan und werden dann entweder sofort hochgeladen oder, wenn es am ehesten passt. Manchmal gucke ich das Blog tagelang nicht an, dann bin ich wieder von morgens bis abends damit beschäftigt.
Was war dein schönstes Erlebnis mit deinem Blog?
Ich mag es immer sehr, wenn ich Rückmeldungen bekomme, dass meine Texte Leser.innen zum Nachdenken gebracht haben, oder eine Buchempfehlung von mir gut angekommen ist. Dafür blogge ich ja und besonders toll ist es immer, wenn jemand ein Buch liest, das ich empfohlen habe, und sich in das Buch verliebt.
Wie hat sich die Buchbloggerwelt im Laufe der Zeit verändert?
Das kann ich gar nicht wirklich beurteilen. Ich bin erst seit Mitte 2017 so richtig dabei, da ich mit meinen vorigen Blogprojekten überhaupt nicht vernetzt war. Aufgefallen ist mir, dass viele kritische Blogs in den letzten Monaten aus den verschiedensten Gründen dichtgemacht haben, was ich sehr schade finde.
Hast du eine Lieblingsbücherseite (Buchhomepage, Büchermagazin, etc.) im Netz?
Ich lese, was Bücher angeht, eigentlich nur andere Buchblogs und habe da einige Favoriten, die ich jetzt gar nicht alle aufzählen kann. Eine richtige Bücherseite… Ich mag Bookriot sehr gern und, wenn ich da durch die Listen stöbere, kommt es nicht selten vor, dass ich hinterher zehn neue Bücher auf der Wunschliste habe.
Was macht für dich eine gute Rezension aus?
Eine gute Rezension ist es für mich, wenn ich genau nachvollziehen kann, wie der Person das Buch gefallen hat und ich entweder selbst Lust auf das Buch bekomme, oder nach dem Lesen der Rezension weiß, dass das Buch nichts für mich ist. Kritische Rezensionen sind mir sehr wichtig, ob nun positive oder negative Kritik oder beides, und ich lese gern ausführliche Rezensionen. Ich lese Rezensionen ja nicht nur, um etwas über das Buch zu erfahren, sondern auch, weil es mir Spaß macht. Meine Lieblingsrezensionen sind ausführlich, kritisch, unterhaltsam geschrieben und helfen mir, mich zu entscheiden, ob ich ein Buch selbst lesen möchte oder nicht.
Wie hältst du es mit Rezensionsexemplaren in deinem Blog?
Ich bekomme keine. Ich weiß nicht warum, aber ich bekomme sehr selten Anfragen und es war auch noch nie eine dabei, die ich angenommen habe, weil Genre und dergleichen nicht gepasst haben. Ich finde das aber auch ganz okay, denn ich würde sowieso nicht so gern mit Rezensionsexemplaren arbeiten. Für mich ist Bloggen wirklich nur ein Hobby und Rezensionsexemplare würden alles zu offiziell machen. Ich lese und rezensiere lieber Bücher, die ich selbst gekauft oder ausgeliehen habe, und auch oft unbekanntere und ältere Bücher, die ja auch Aufmerksamkeit verdient haben. Das Wissen, dass ich das Buch rezensieren muss, weil ich es ja extra dafür bekommen habe, würde mich glaube ich stark ausbremsen.
Wenn dich ein Litblogneuling nach einem Tipp fragen würde, welchen würdest du ihm geben?
Vernetzen, vernetzen, vernetzen. Nicht nur macht Bloggen viel mehr Spaß, wenn man andere Blogger kennt und sich austauschen kann, man fühlt sich mit seinen Meinungen auch weniger isoliert. Ich war früher viel zu anxious, um tatsächlich andere Blogger zu kontaktieren oder auch nur Kommentare bei ihnen zu hinterlassen, aber ich finde das mittlerweile fast am wichtigsten. Für sich allein zu bloggen wird schnell einsam und das Miteinander ist es, was das Bloggen zumindest für mich auch lohnenswert macht.
Was hat deine Leseleidenschaft geweckt?
Hm. Schwer zu sagen. Ich habe eigentlich schon immer gern gelesen, wahrscheinlich, weil meine Eltern mir das auch vorgemacht haben. Ich habe mit Pferdezeitschriften lesen gelernt und ab da gab es kein Halten mehr. Welche Bücher dann kamen, kann ich aber nicht wirklich sagen, weil ich einfach noch sehr jung war. Mein erstes, richtiges Lieblingsbuch war aber „Die Wilden Hühner auf Klassenfahrt“ von Cornelia Funke. Und da lässt sich auch schon viel finden, was ich bis heute mag: Nordseesetting, eine (vermeintliche) Geistergeschichte, Mädchenfreundschaften…
Dein absolutes Lieblingsgenre sind historische Romane – gab es da ein Schlüsselerlebnis oder „warst“ du schon immer so?
Ich war schon immer so! Meine frühste Erinnerung daran ist, dass ich in den frühen Neunzigern sehr früh morgens historische Dokumentationen geschaut habe. Als Schlüsselerlebnis fällt mir eine Dokumentation über den Untergang der Titanic ein, in der noch Überlebende zu Wort kamen und interviewt wurden. Damals hat mir das große Angst gemacht, aber die Titanic übt bis heute eine riesige Faszination auf mich aus. Historische Lieblingsthemen meiner Kindheit waren dann aber das historische Amerika (dank „Die Ballade von Lucy Whipple“ von Karen Cushman und Mark Twains „Tom Sawyer“) und Auswanderung (dank Rainer M. Schröder, würde ich sagen). Über letzteres schreibe ich jetzt meine Masterarbeit, so there.
Was macht einen guten historischen Roman aus?
Ein guter historischer Roman ist in meinen Augen ein Buch, das von typischen Genreklischees Abstand nimmt und Geschichte interessant und komplex präsentiert, nicht schwarz-weiß und auf Klischees beruhend, die dann am besten noch problematische Ideen von Geschichte in den Köpfen der Leser.innen verfestigen. Eine gute Histo bringt zum Nachdenken und schlägt auch mal Parallelen in unsere Gegenwart, anstatt nur stumpf altes Halbwissen wiederzugeben.
In welches Buch würdest du gern einmal hineinklettern, wenn du könntest – außer Harry Potter?
Da ich kein großer HP-Fan bin, fällt es mir leicht, hier nicht Harry Potter zu sagen. Ich glaube, am ehesten würde ich gern mal in einem Buch von Leigh Bardugo vorbeischauen. Die Welt aus der „Grischa“-Reihe und von „Das Lied der Krähen“ beeindruckt mich sehr und war auch der Auslöser dafür, dass ich wieder angefangen habe, High Fantasy zu lesen. Besonders das russisch inspirierte Ravka aus „Grischa“ würde ich gern besuchen.
Gibt es ein Genre, welches dir absolut nicht zusagt?
Alternative historische Romane. Ja, echt. Ich mag keinen Steampunk (mehr) und ich mag es auch nicht, wenn Autor.innen „alternative“ Geschichte erzählen, weil es mir einfach meistens willkürlich und so sinnlos vorkommt. Ich liebe historische Romane und ich liebe High Fantasy, die historisch inspiriert ist. Aber dieses Mittelding, bei dem der Roman zwar in unserer Welt spielt, aber historische Ereignisse ganz anders abgelaufen sind, bitte nein. Es gibt immer mal wieder Ausnahmen, aber ganz generell mag ich das überhaupt nicht.
Wonach wählst du deine Bücher aus?
Nach Klappentext und Cover. Ja, das ist oberflächlich, aber bei der Masse an Romanen, die es mittlerweile gibt, muss man ja irgendwo anfangen und entscheiden, welches Buch man sich genauer anschauen möchte. Ich gehe aber auch viel nach Autor.innen, die ich entweder schon gelesen habe und mag, oder die mir durch sympathische Interviews oder auf Twitter positiv aufgefallen sind. Und natürlich nach Empfehlungen in Rezensionen von Leuten, denen ich da vertraue.
Wie würdest du deinem SuB charakterisieren? War er schon immer so groß? Gibt es ein Prinzip dahinter?
Ein Prinzip gibt es nicht, nein. Mein SuB ist so stark angewachsen, seit ich einen eReader habe und besonders englische eBooks sehr günstig bekommen kann. Da schlägt man schon mal zu, auch, wenn man für das Buch gerade gar keine Zeit hat, weil es könnte ja sein, dass es morgen wieder teuer ist (und oft ist das ja auch tatsächlich so). Darüber hinaus wächst mein SuB ins Unermessliche seit ich studiere. Während der Schulzeit hatte ich immer sehr viel Zeit zum Lesen und habe teilweise zwei Bücher pro Woche eingeatmet. Mittlerweile schaffe ich vielleicht vier oder fünf im Monat und natürlich stauen sich dann Bücher an, besonders eben tatsächlich auf dem eReader.
Wie groß ist deine Wunschliste?
Meine einzige Wunschliste ist mein „to read“-Regal auf Goodreads und da sind im Moment etwas über 200 Bücher drauf. Ich sortiere sie alle paar Monate aus, weil ich relativ spontan Bücher draufpacke, die mich dann später doch nicht mehr interessieren, aber sie wächst dann eben genauso schnell wieder an…
Gibt es Autoren, die du nie wieder freiwillig lesen würdest – und warum?
Ja, die gibt es. Ich gebe Autor.innen eigentlich immer gern mehrere Chancen, denn jeder kann dazulernen, beziehungsweise liegt es ja auch an meinem Geschmack, wenn mir ein Buch nicht gefällt und beim nächsten Buch könnte das schon wieder ganz anders sein. Aber Autor.innen, die sehr problematische Botschaften in ihren Romanen verbreiten, kommen bei mir sofort auf die „Nie wieder“-Liste. Wenn ich mich über ein Buch ärgern muss, weil es rassistisch oder queerphob ist, dann werde ich von diesen Autor.innen sicherlich so bald kein Buch mehr anfassen.
Magst du Buchverfilmungen? Wenn ja, welches Buch sollte unbedingt verfilmt werden? Oder eben grade nicht?
Ich liebe gute Buchverfilmungen, besonders, wenn es Verfilmungen von Klassikern sind. Ich liebe ja sowieso ausschweifende, gut kostümierte historische Filme und Serien und ich würde einige meiner historischen Lieblinge sehr gern mal auf der Leinwand oder im Fernsehen sehen. Was ich mir sehr wünsche, ist zum Beispiel endlich eine angemessene Verfilmung von Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“, die mit den queeren Themen des Romans gut umgeht und vor allem die Botschaften des Buchs auch rüberbringt. Die Verfilmung von 2009 mit Colin Firth ist ja leider nicht so gut gelungen. Ich würde den Dorian so gern vielleicht als Netflixserie sehen, mit tollen Kostümen und als Gothic-Horror-Drama. Man kann ja noch träumen!
Wie stehst du zu E-Books?
Wie oben schon angedeutet: Ich liebe sie. Besonders englische eBooks sind oft günstiger und dazu kommt, dass man mit dem Reader immer gleich eine ganze Bibliothek dabei hat, ich mag das. Bücher, die ich richtig gern mochte, kaufe ich aber trotzdem manchmal im Hardcover nach. Da bin ich dann doch Sammlerin, ich mag es einfach, meine Lieblingsgeschichten in schöner Ausgabe im Regal stehen zu sehen.
Wie viele Stunden liest du die Woche?
Das kommt ganz drauf an, wie viel Zeit ich habe. Ich lese tatsächlich meistens nachts und versuche jeden Abend mindestens eine Stunde zu lesen. Daraus wird oft mehr, manchmal schaffe ich es aber auch gar nicht. Es gibt Wochen, da rühre ich kein einziges Buch an, wenn ich zu viel Stress habe. Wenn ich viel Zugfahren muss, lese ich auch viel mehr, Züge sind irgendwie meine perfekte Leseumgebung, weil man ja auch kaum was anderes machen kann.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast!
Neugierig geworden? Dann schau in Katrionas Blog „Stürmische Seiten“ vorbei!
Wenn dir dieses Interview gefallen hat, dann stöbere doch mal durch die vorherigen Interviews!
Sehr spannendes Interview. 🙂
Ich mag den Blog sehr gerne, bin nur leider viel zu sehr stille Mitleserin und kommentiere zu selten. Das sollte ich mal ändern.
Und schade, Katriona, dass du nicht auch über dein Semester in Norwegen gebloggt hast. Ich habe ebenfalls für ein Semester in Norwegen studiert und das war eine der schönsten Zeiten meines Lebens (und seither vermisse ich Oslo unglaublich).
Neues Jahr, neues Glück, also kannst du dir das mit den Kommentieren dort noch verspätet als Vorsatz nehmen 🙂
Und wenn ich das mit den Auslandsaufenthalten so lese, wünsche ich mir doch auch ein bisschen, dass ich den Mut dafür gehabt hätte.
Pingback: Zeitrauschen #1: Januar 2019 - Stürmische Seiten