WERBUNG: Was zählt zu „richtigen“ Büchern?

Symbolbild BücherFoto: congerdesign CC0 Creative Commons

Wer kennt sie nicht, die Diskussionen darüber, was richtige Bücher sind? Zählen eBooks dazu? Was ist mit Hörbüchern? In diesem Beitrag gibt es zunächst einen Rückblick, bevor ich meine Position in der Diskussion darlege. Dies ist ein Beitrag aus meiner Kolumne „Gedankenfunken„, die sich mit ganz unterschiedlichen, aber überwiegend buchigen Themen beschäftigt.

Der Rückblick

Während es für uns heute selbstverständlich ist, für eine erzählte Geschichte zu einem Buch zu greifen, war dies bis vor gar nicht so langer Zeit genau das: Eine von einem Menschen erzählte Geschichte. Viele Menschen, grad die im Lebensalter fortgeschrittenen, hatten ein reiches Repertoire an Geschichten. Im Mittelalter prägte sich das zu Minnesänger, Troubadoure und Hofnarren aus. Geschichtenerzähler zogen von Burg zu Burg und waren gern gesehene Gäste, wenn sie tagelang Sagen vortrugen.

Ich finde es eine unglaubliche Leistung, dass manche Menschen sich tausende Gedichtszeilen in ihren Wortlaut merken konnten, denn viele große Werke der damaligen Zeit reimten sich. Die Meister ihres Faches kannten zudem wahrscheinlich mehrere dutzende solcher Lieder. Ein bekanntes Werk des Mittelalters ist das Nibelungenlied, dessen Ursprünge aber wahrscheinlich mehrere Jahrhunderte früher liegt, nämlich im fünften und sechsten Jahrhundert. Dass wir es heute noch kennen, liegt daran, dass jemand zu Beginn des 13. Jahrhunderts den Stoff niederschrieb.

Leider liegt das Seminar, in welchem ich im Rahmen meines medienwissenschaftlichen Studiums diesen Medienwandel diskutierte, schon einige Jahre zurück. Dennoch kann ich mich noch gut erinnern, wie faszinierend ich diesen Umbruch von mündlicher zu schriftlicher Erzählkultur fand. Vermutlich Jahrtausende lang hatten Menschen Geschichten mündlich weitergeben, bevor ein Homer daherkam und die Ilias aufschrieb. Das war schätzungsweise immer noch mehr als zweitausend Jahre, bevor sich in Europa das schriftliche Fixieren von Erzählungen wirklich verbreitete.

Fortan wurden immer mehr Geschichten aufgeschrieben. Einerseits eine schöne Sache, denn so konnte sozusagen eine offizielle Version entstehen, eine Art Qualitätssicherung. Anderseits aber rückblickend auch sehr schade, denn so ging nach und nach die alte Kultur des Geschichtenerzählens verloren. Denn was die einzelnen Geschichtenerzähler erzählten unterschied dich doch teilweise sehr, weit über die Reime hinaus. So lassen sich zum Beispiel viele Parallelen in der skandinavischen Lieder-Edda finden.

Die Gegenwart

Aus diesem großen historischen Bogen heraus betrachte ich Bücher. Es verwundert daher vermutlich weniger, wenn ich nun schreibe, dass ich die teilweise heftigen Auseinandersetzungen über die Definition von „richtigen“ Büchern eher verwundert betrachtete. Ich kann nachvollziehen, dass nach verschiedenen Medien unterschieden wird. Doch auch da ist es längst nicht so einfach, wie es manchmal scheint. Denn funktioniert ein aufgeschriebenes Theaterstück wirklich als Buch?

Für mich persönlich zeichnet sich ein Buch vor allem durch die Starrheit seines Textes aus, die festgelegte Abfolge der Worte. Aber auf welchem Material ich diese lese, spielt für mich überhaupt keine Rolle. Daher war ich Anfang des Jahrzehnts auch sehr irritiert über die Kampagne „I pledge to read the printed word“, wo propagiert wurde, dass Elektronik niemals Papier ersetzen kann. Das soll bitte niemanden vom Lesen gedruckter Bücher abhalten, aber zumindest für mich ist das Lesen von eBooks absolut gleichwertig anzusehen, denn es geht doch um den Inhalt, nicht das Medium.

Dasselbe gilt meiner Meinung auch für (ungekürzte) Hörbücher. Es wird zwar der Hörsinn statt des Sehsinns angesprochen, aber schadet dies der Qualität eines Textes? Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ein Hörbuch ursprünglicher ist, da es an die alte Kulturtechnik des Geschichtenerzählens anknüpft. Wenn Ihr also Lust darauf habt, dann hört Euch „Das Nibelungenlied“ oder irgendein anderes Hörbuch an und zählt es als Buch!

Lasst mir gern Eure Gedanken da!

8 Kommentare

  1. Ich sehe es auch so, dass das Medium völlig egal ist, solange die Geschichte (und die Art der Erzählung) die gleiche bleibt. Was ich spannend finde, ist dein Erklärungsansatz. So habe ich da noch gar nicht drüber nachgedacht, aber eigentlich ist das völlig plausibel. Niemand würde anzweifeln, dass das Niebelungenlied ein Buch ist, egal in welchem Medium es zuerst da war.

    • Danke für deinen Kommentar 🙂 Wir sind oft ziemlich starr in unseren Perpektiven, aber deswegen liebe ich Blogs!

  2. Liebe Elena,
    ein schöner Post. Man macht sich ja die Vergangenheit oft viel zu wenig bewusst. ‚Ich sehe es so wie Du, dass sowohl Ebook, Buch und Hörbuch gleichberechtigt zu betrachten sind. Gerade auch beim Hörbuch gibt es die Möglichkeit, durch einen besonders guten Leser/-in dem TExt noch eine weitere Dimension zu geben.
    Liebe Grüße
    Isabel

    • Liebe Isabel,

      danke für deinen Kommentar 🙂 Ich schätze mein Studium sehr dafür, dass es mir beigebracht hat, in größeren Zeiträumen zu denken. Das ermöglicht oft ganz andere Blickwinkel auf aktuelle Dinge.

      Und ja, gute Sprecher*innen können ein Buch definitiv noch einmal aufwerten!

      Liebe Grüße
      Elena

  3. Ich finde diese Diskussion auch vollkommen sinnlos. Buch ist Buch, egal in welcher Form. Dass sich das „Lesen“ für mich persönlich unterschiedlich anfühlt, wenn ich nicht zum gedruckten, sondern zum digitalen Werk greife, ist mein Problem und macht das eBook nicht weniger zum Buch – ebenso beim Hören einer Geschichte.

  4. Liebe Elena

    Ich hasse diese Diskussion & verstehe sie auch absolut nicht. Gerade bei Ebooks finde ich es ganz seltsam. Über das Hörbuch kann man vielleicht noch reden, aber auch da bin ich der Meinung, dass die Geschichte nicht verloren geht, wenn man sie von jemand anderem vorgelesen kriegt.

    Danke für den Beitrag.

    Herzlich, Josia

    • Lieber Josia,

      ja, ich verstehe diese Diskussion auch nicht, aber sie kehrt ja leider immer wieder.

      Danke für deinen Kommentar 🙂

      Herzliche Grüße
      Elena

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