Mein Leben mit Schwerhörigkeit

Symbolbild zum Thema HörenFoto: geralt /pixabay, CC0 Creative Commons

Auf dem Literaturcamp Hamburg habe ich eine Session mit dem Titel „Leben mit Schwerhörigkeit“ gegeben. Da es eine beschauliche Runde war, habe ich diese mehr als Dialog denn als Vortrag gehalten. Nachfolgend nun eine Verschriftlichung, die sich vor allem auf das Aufgreifen der angesprochenen Inhalte und Weiterentwicklung bestimmte Gedanken konzentriert. Daher ist dies weniger eine Wiedergabe der Session, sondern eine Darstellung der Inhalte.

Die ein oder andere Person kennt die Situation vielleicht noch aus dem Fremdsprachenunterricht: Die schwer verständlichen Aufnahmen eines Gespräches von native speakers, abgespielt auf einem Ghettoblaster mit nur mäßigem Sound, womöglich in einem hallenden Klassenraum. Dazu sollten spezielle Fragen beantwortet werden, die sich nicht aus dem Kontext erschlossen, sondern das Verständnis einer bestimmten Aussage voraussetzten. Ziemlich anstrengend! Zum Glück ist Eure Schulzeit vermutlich schon lange vorbei. Doch für schwerhörige Menschen vergeht kaum ein Tag, in der sie nicht gefühlt in einer solchen Situation stecken.

Native speakers – Das Wörterbuch läuft ständig im Hintergrund

Dröseln wir das der Reihe nach einmal auf: Während Normalhörende vieles auf Anhieb akustisch richtig verstehen, kommt bei schwerhörigen Menschen auch MIT Hörgeräten bei weiten nicht alles an. Verbildlichen lässt sich das zum Beispiel so:

Während Normalhörende sich direkt inhaltlich mit dem Gesagten auseinandersetzen können, puzzeln Schwerhörige erst einmal zusammen, was eigentlich gesagt wurde. Dazu läuft sozusagen ein Sprachcomputer in meinem Kopf. Wenn ich das Thema und die Stimme des Sprechers kenne, geht die Arbeit damit ziemlich zügig, ich blättere dann sozusagen direkt im passenden Wörterbuch. Wenn ich aber grad nicht weiß, worüber gesprochen wird und mir die Stimmen fremd sind, dauert es wesentlich länger, eine sinnergebende „Übersetzung“ zu produzieren. Während der Normalhörende dann schon seine Antwort geben kann, komme ich meist erst bei der inhaltlichen „Arbeit“ an.

Bei mehreren mir fremden Gesprächspartnern, die fröhlich durch die Themen springen, fühle ich mich daher so, wie sich vermutlich viele fühlen würden, wenn sie unter einer Gruppe sich munter miteinander unterhaltenen Briten landen würden: Krampfhaft bemüht, die verschiedenen Fäden nicht zu verlieren und deshalb parallel am Übersetzen beim Nachdenken über die Inhalte. Ich sage daher gern zur Erklärung meiner Schwerhörigkeit, dass Deutsch meine erste Fremdsprache ist.

Besonders hart wird es für mich, wenn ich mir bestimmte Dinge nicht aus dem Kontext erschließen kann, sondern wirklich auf exaktes akustisches Verständnis angewiesen bin. Die Wochen im Callcenter, wo ich zwangsläufig während meiner Ausbildung war, waren wirklich sehr unangenehm. Vornamen, Nachnamen, Straßennamen … Und ja, natürlich tun sich auch Normalhörende damit nicht leicht, aber stellt Euch vor, Ihr bekommt die auf einmal auf Englisch mit der größten Selbstverständlichkeit um die Ohren gehauen!

Ghettoblaster – Was ist mit Hörgeräten?

Schön und gut, mag die ein oder andere Person denken, aber lösen Hörgeräte nicht diese Verständnisprobleme? Nein, einfach nein. Sie sind eine sehr gute Unterstützung, aber vom normalen Hören bin ich meilenweit entfernt.

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass jeder Hörgerätehersteller eigene Klangcharakteristika hat. Dass ist ein bisschen so wie mit Autos, die zwar alle fahren – aber kaum jemand würde behaupten, dass das Fahrgefühl in jedem Modell geschweige denn jeder Fahrzeugmarke gleich ist. Ein schwerhöriger Mensch muss sich daher die Zeit nehmen, teilweise gegen den Widerstand des jeweiligen Hörgeräteakustikers, die verschiedenen Hersteller durchzuprobieren, um den Klang zu finden, mit den er gut klar kommt. Das ist keineswegs nur eine Frage des Faibles. Bei jeder Anpassung habe ich auch neuere Geräte beim Testen dabei, mit denen ich wesentlich schlechter verstehe als mit meinen alten.

Wenn die Basis erst einmal stimmt – was mich meist schon einige Monate Testzeit gekostet hat, denn ich muss die Geräte ja in verschiedenen Alltagssituationen ausprobieren – kommt die eigentliche Anpassung. Da darf der Akustiker dann so Aufgaben lösen wie „Die Straße hinter mir ist lauter als Sie vor mir“ oder „Die Stille ist irgendwie so dumpf“. In der Zeit laufe ich dann weiter regelmäßig beim Akustiker auf, was in der Summe auch mal gut zwei Dutzend Stunden verschlingt.

Um das optimale Hörgerät zu finden, muss also jede Menge Zeit investiert werden. Kein Wunder, dass es so viele Schubladengeräte bei den Senioren gibt. Im Gegensatz zu einer Brille ist es nämlich eigentlich nie mit zwei, drei Besuchen beim Akustiker getan.

Aufnahme – Was das Gehirn und die Ohren normalerweise leisten

Hören ist ein wahnsinnig komplexer Prozess, wo vieles so selbstverständlich abläuft, dass die meisten Hörenden sich darüber nie Gedanken machen. Schwerhörige Menschen, insbesondere mit einer geschlossenen Versorgung wie sie bei starker Schwerhörigkeit üblich ist, haben zum Beispiel Probleme mit den Richtungshören. Natürlich können die meisten Schwerhörigen sagen, ob Ton von links oder rechts kommt. Aber kommt ein Geräusch von N-N-O oder N-O-O? Und wie weit entfernt ist beispielsweise das Auto noch?

Noch viel entscheidender ist aber, dass das Gehirn normaler für Normalhörende das hervorhebt, was sie hören wollen. Es interessiert das Gespräch mit der Person, die schräg gegenüber von Euch sitzt? Kein Problem. Ich hingegen habe zwar Hörgeräte, die Sprache hervorheben – aber wenn es darum geht, unter mehreren Gesprächen ein bestimmtes zu verfolgen, scheitere ich fast immer. Meine Hörgeräte wissen eben nicht, welche Stimme für mich grad besonders wichtig ist.

Stattdessen verstehe ich besonders die Männer gut. Das liegt daran, dass ich die tiefen Frequenzen wesentlich besser höre als die hohen, welche üblicherweise Frauenstimmen gemein sind. Sitze ich daher in einer gemischten Runde und eine Frau mit einer hohen Stimme möchte sich mit mir unterhalten, klappt das meistens nicht. Es gibt aber auch schwerhörige Menschen, die einen Tiefton-Abfall haben und für die sich das Problem genau andersherum darstellt.

Verständnis – Was lässt sich tun?

Zunächst einmal bin ich dankbar, wenn ich nicht plötzlich von hinten oder von der Seite angesprochen oder gerufen werde. Wegen der Sache mit dem Richtungshören fehlt mir die räumliche Zuordnung und der Sprachcomputer ist vielleicht auch grad nicht in Betrieb. Wenn ich jemanden offenbar nicht bemerke, ist es nett, wenn derjenige dann möglichst von vorne kommt. Mittlerweile habe ich es ablegen können, aber ich bin viele Jahre extrem zusammengezuckt, wenn da plötzlich jemand war, den ich vorher nicht wahrgenommen hatte. Das ist dann in etwa so, wenn Ihr nachts im Dunklen zur Toilette geht und dann steht da plötzlich jemand.

Bei Gesprächen bitte niemals übertrieben laut werden oder gar schreien! Da die meisten Schwerhörigen die verschiedenen Frequenzen unterschiedlich gut hören, bringt das wenig. Die Hörgeräte sind für normal laute Stimmen eingestellt. Spätestens beim Schreien wird Eure Stimme zudem verzerrt, was das Verständnis nur weiter erschwert. Stattdessen empfiehlt es sich, deutlich zu sprechen und das Gesicht den Schwerhörigen zuzuwenden. Wenn Ihr zu den Schnellsprechern gehört, ist es auch nicht verkehrt, einen Gang runterzuschalten. Aber Schwerhörige sind keine Babys, also bitte bei Ausprache, Betonung und Mimik auch nicht übertreiben. Wenn es auch im zweiten Anlauf mit dem Verständnis nicht klappt, versucht Euer Anliegen anders zu formulieren. Was extrem verletzend ist, ist hingegen zu sagen, dass das nicht so wichtig war. Ich möchte selbst entscheiden, was wichtig ist!

Wenn Ihr mit einem schwerhörigen Menschen ausgeht, empfehlen sich eher ruhigere, nicht-hallende Orte. Ich habe nichts gegen Diskos, aber ich höre da selbst Menschen, die mir ins Hörgerät sprechen, kaum. Am besten überlasst Ihr auch der schwerhörigen Person den Vortritt bei der Platzwahl z.B. in einem Restaurant. Denn viele Schwerhörige haben ein Ohr, mit dem sie Sprache besser verstehen und durch eine taktisch kluge Platzierung hören sie dann viel besser, was bei Euch am Tisch passiert. Ich habe auch genug Abende erlebt, wo ich besser verstand, was am Nebentisch als an meinem Tisch vor sich ging. Natürlich kann ich das auch selbst ansprechen, aber es ist immer so eine Sache zu sagen, setzt Euch mal alle wegen mir um.

Was zumindest aber für mich der wichtigste Punkt ist: Schwerhörigkeit macht müde. Zuhören ist einfach irre anstrengend und nach ein paar Stunden geht beim besten Willen meistens nicht mehr viel. Vermutlich gibt es da unterschiedliche Vorlieben, aber ich persönlich finde daher kleinere und kürzere Treffen schöner. Nehmt es daher vor allem bei größeren Veranstaltungen nicht übel, wenn der schwerhörige Mensch nach zwei, drei Stunden sagt, dass er jetzt geht. Einfach nur verständnislos daneben zu sitzen macht nämlich nicht allzu viel Spaß. Wenn ich ausgeruht und gut gelaunt bin, bleibe ich auch länger, aber bezahle oft mit langen Regenerationszeiten.

Details – Wie misst sich Schwerhörigkeit

Nach meinem Hörverlust gefragt, wusste ich in der Session keine Antwort. Das ist für mich schlicht nicht relevant, da für die Fachmenschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit, so eben nicht an Taubheit grenzend die Frage völlig ausreichend beantwortet ist. Und ich kann mir ja vom Hörverlust auch nichts kaufen. Wenn ich wieder einen Hörtest mache, schaue ich das mal nach.

Für den Beitrag habe wegen der Einstufung nun noch einmal nachgeschlagen. Es gibt drei Arten Schwerhörigkeit einzustufen, auf eine werde ich hier eingehen. Beim Tonaudiogramm sieht es so aus:

Grad der Schwerhörigkeit nach dem Tonaudiogramm gemittelter Hörverlust 0.5, 1, 2 und 4 kHz
geringgradige Schwerhörigkeit 25–40 dB
mittelgradige Schwerhörigkeit 40–60 dB
hochgradige Schwerhörigkeit 60–80 dB
Ertaubung > 80 dB

Ich liege bei 80 dB. In der Praxis bedeutet dies, dass ich ohne Hörgeräte eigentlich nur was höre, wenn etwas sehr bassig ist oder mir jemand direkt ins gute Ohr spricht. Ansonsten ist es extrem still, ich spüre mehr, als dass ich etwas höre. Wenn ich am Computer sitze oder lese, habe ich die Hörgeräte meistens draußen und erfreue mich an der herrlichen Ruhe. Beim Schlafen sowieso. Da kann jemand Sturm schellen oder der Rauchmelder in der Küche verrückt spielen, ich höre es nicht. Deswegen habe ich auch keinen akustischen Wecker, sondern arbeite mit Vibration, nachdem ich jahrelang dank des Lichtweckers regelmäßig von Gewittern geträumt habe. Außerdem habe ich eine Signalanlage, die mir zeigt, wenn es klingelt.

Ich finde die Messverfahren für Schwerhörige ohne und vor allem mit Hörgeräten ziemlich an der Realität vorbei. Um zu testen, wie gut ein Hörgerät zum Träger passt, wird nämlich meistens das Sprachverständnis durch das Abspielen von Wörtern ermittelt, die möglichst fehlerfrei nachgesprochen werden sollen. Ich sitze ja auch so oft in einem ruhigen Zimmer ohne Störlärm, wo nur eine Person spricht. In so einem Test hole ich mir fast jeden Gerät tolle Werte, im Alltag sind das himmelweite Unterschiede.

Drumherum – Weitere Faktoren

Es gibt viele Menschen, die trotz objektiv besserer Werte schlechter als ich hören oder zumindest nicht wesentlich besser. Woran liegt das? Ganz wichtiger Faktor ist die zeitnahe Versorgung mit Hörgeräten, nachdem der Hörverlust eingetreten ist. Hörverständnis ist nämlich vor allem eine Frage der Vernetzung im Gehirn und alles, was an Nervenbahnen nicht genutzt wird, wird ganz schnell abgebaut. Leider erfolgt grad bei älteren Menschen die Versorgung erst mit großer Verzögerung, so dass sie hörentwöhnt sind. Eigentlich bräuchten sie dann zusätzlich zu Hörgerät ein Hörtraining, um sich wieder an das normale Hören zu gewöhnen. Denn die Geräusche wie Vogelzwitschern oder Rauschen der Autos, was früher für sie Hintergrundgeräusche waren, drängen sich dann gern erst einmal unangenehm in den Vordergrund.

Dazu etwas persönlicher zum besseren Verständnis: Ich höre mit jeder neuen Hörgerätegeneration Sachen, die ich nie gehört habe. Was war ich erst irritiert und dann begeistert, als ich zum ersten Mal Grillenzirpen gehört habe! Mit der aktuellen Generation höre ich in ruhigen Räumen auch Sachen, die weiter weg sind und frage dann nach, was das eigentlich ist. Ah, so klingt also eine Kreissäge gedämpft durch die Hauswand. Aber ich habe mich (nicht nur deshalb) auch schon von einer Hörgeräteakustikerin getrennt, die meinte, dass der Straßenlärm so muss, er mir aber viel zu intensiv und zu weit tragend war. Es ist also zudem auch eine Sache des Trainings mit den Hörgeräten, damit wieder wahr genommene Geräusche nicht zur Belastung werden. Üblicherweise werden die Hörgeräte daher nach längerer Hörentwöhnung schrittweise lauter gestellt, damit der Träger nicht überwältigt wird.

Da ich schon im Kleinkind-Alter schwerhörig wurde, verdanke ich mein Hörtraining meinen Eltern und da vor allem meiner Mutter. Sie ist mit mir regelmäßig über 150 km mit dem Zug zur Hör-Therapie gefahren und hat die Ratschläge umgesetzt, um mich zum Sprechen zu animieren und meinen Wortschatz auszubauen. Aus dieser Zeit stammt auch „Mensch, Papa, bist du doof!“, da meine Eltern nur verstehen sollten, was ich sagte, wenn ich das ordentlich ausformulierte. Damals herrschte übrigens die Meinung vor, dass zuerst die Lautsprache erworben werden sollte, bevor mit dem Gebärden angefangen wird. Ironie der Geschichte ist, dass meine Mutter und mein Vater wegen dessen Schwester besser gebärden können als ich (ich kann es gar nicht).

Mittlerweile ist erwiesen, dass bilinguale Erziehung kein Problem ist und so ist es meines Wissens nach üblich, dass Gebärden- und Lautsprache gleichzeitig erlernt wird. Es ist allerdings in der Tat problematisch, wenn nur Gebärdensprache im Kindesalter erlernt wird. Das liegt an der Struktur der Sprache, die viel bildhafter ist und sich sehr stark von gesprochenen Sprachen unterscheidet. Wenn die Gehirnstrukturen für Lautsprache nicht möglichst im Kleinkindalter gebildet werden, lässt sich das nie wieder einholen. Daher haben viele ältere Schwerhörige, die spät mit Hörgeräten versorgt wurden, wirklich einen sehr starken Nachteil gegenüber Schwerhörigen, die fast sofort versorgt wurden bzw. erst nach dem Spracherwerb schwerhörig geworden sind.

Fußnoten

Die Folgen von Schwerhörigkeit habe ich im Beitrag ausgelassen. Ich möchte sie aber stichwortartig nun aufzähle: Isolation, Misstrauen und insbesondere Unterstellung mangelnder Intelligenz. Vielleicht ein anderes Mal ausführlicher, wenn ich mehr Distanz dazu habe.

Es gibt Versuche, die radikale Verhaltensänderungen bei Menschen nachweisen, die für einen Tag schwerhörig sind. Verstopft Euch testweise die Ohren für einen Tag und schaut, was das mit Euch macht. Bitte aber nur ausprobieren, wenn es Euch halbwegs gut geht.

Ein schöner Beitrag zum Thema: Schwerhörigkeit verstehen.

Mit über 2.000 Wörter war der Beitrag ziemlich lang. Wer bis hierhin gekommen ist, kann gern Fragen stellen, die ich ggf. dann im Post ergänze. Auch ohne Fragen freue ich mich aber über Feedback! 

29 Kommentare

  1. Ein wunderbarer Text – Danke, dass du das noch einmal für alle, die da waren oder nicht da waren, in Worte gefasst hast. Ich habe einiges gelernt, auch wenn ich mir vorher zumindest etwas Wissen eingebildet hatte. Und auch die Einblicke in deinen Alltag waren spannend.
    Außerdem weiß ich jetzt, wie ich Menschen in meinem Umfeld da etwas besser unterstützen kann (z.B. mit dem Begleiten zum Hörakustiker und der Übernahme des Streitens) – und verlange von mir noch mehr Geduld in Gesprächen. Denn die sollte ich aufbringen.
    Danke 🙂

    • Schön, dass du einiges Neues für dich aus dem Text mitnehmen konntest. Es ist für viele Betroffene auf jeden Fall hilfreich, Unterstützung beim Hörgeräteakustiker zu haben. Insbesondere beim von manchen Hörgerätenakustikern aufgebaute Kaufdruck, da es schon Willenskraft verlangt, zu sagen, dass es noch zu früh für eine Entscheidung ist.

      Gerne 🙂

  2. Vielen Dank für die „Verschriftlichung“ der Session. Ich finde das Thema sehr interessant und fand es total schade, dass ich am Samstag nicht da sein konnte.

    Wenn schwerhörige Kinder zweisprachig erzogen werden, lehrt man dann eher Lautsprachbegleitende Gebärden oder DGS? Ich glaube mich zu erinnern, dass die erste Variante mal (in Teilen der Gehörlosengemeinschaft) sehr in der Kritik war, weil es keine „richtige“ Sprache sondern nur ein Hilfsmittel sei. Oder ist das einfach eine Glaubensfrage?

    • Dafür haben sich bestimmt sehr viele Menschen über deine Session gefreut, habe dazu viele positive Reaktionen gehört und gelesen 🙂

      Puh, da fragst du mich was … da ich selbst zumindest bisher keine Kinder habe, ist das nicht so Thema. Ich würde aber vermuten, dass eher lautsprachbegleitende Gebärden grad bei hörenden Eltern zum Einsatz kommen.

      DGS ist in der Tat noch einmal etwas völlig anderes. Dass die Nichtverwendung so in der Kritik steht, ist vor allem eine Kulturfrage. Denn viele Gehörlose sind durchaus stolz auf ihre „eigene Welt“ und sehen es vereinzelt deshalb sogar als problematisch an, wenn ihre Kinder hörend sind. Weshalb sie teilweise die Versorgung ihrer Kinder mit einem Cochlea-Implantat ablehnen. Das ist aber ein sehr komplexes Thema.

  3. Huhu,

    und danke für den interessanten Beitrag! Ich finde es wichtig, mich gerade als Hörender damit zu beschäftigen, damit ich niemandem das Leben unnötig schwer mache.

    Mein Gehör ist quasi genau das Gegenteil.

    Als Kind schleppten mich meine Eltern zum Arzt, um mein Gehör überprüfen zu lassen, weil ich oft auf Rufen / Klatschen / Klopfen nicht reagierte. Der stellte fest, dass mein Gehör nicht beeinträchtigt, sondern sogar um einiges überdurchschnittlich war! Später wurde dann eine zentrale Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung diagnostiziert, das Problem war also nicht mein Gehör, sondern mein Gehirn. (Manchmal frage ich mich, ob das mit meiner MS zusammenhängt oder nicht.)

    Damals war mein Problem, dass ich alles gleichzeitig hörte und oft nicht das herausfiltern konnte, was ich hören sollte/wollte.

    Heute, mit 43 Jahren Übung, gelingt mir das viel besser – auch wenn ich immer noch höre, wenn zwei Stockwerke über mir ein Handy fiepst, weil der Akku leer ist. (Mein Mann nennt das mein „Vulkaniergehör“.) Aber ich finde Situationen, in denen viel Umgebungslärm herrscht und ich mich dann womöglich noch auf verschiedene Sprecher konzentrieren muss, immer noch sehr anstrengend, weil ich dann auch leicht den Faden verliere.

    Ich kann aber natürlich nur erahnen, wie das für dich sein muss, ich stelle es mir um ein Vielfaches anstrengender und schwieriger vor.

    LG,
    Mikka

    • Huhu Mikka,

      ich persönlich finde deine „Störung“ nach deiner Schilderung auch sehr anstrengend. Vielleicht sogar noch anstrengender, weil du keine Pause machen kannst. Aber das ist hier ja kein Wettbewerb 🙂

      Jedenfalls habe ich, um den Beitrag nicht zu überfrachten, auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen jetzt ausgelassen. Jedoch sind diese imo absolut nicht harmlos, so mal außer Training gegen diese nicht viel hilft. In meiner Session war eine Person dabei, die von ihren Kind berichtete, dass zumindest phasenweise davon betroffen war.

      Unser Gehirn ist echt wahnsinnig komplex und es ist wirklich erstaunlich, wo überall die Verarbeit von in diesem Fall akustischen Signalen scheitern oder zumindest erschwert werden kann…

      LG Elena

  4. Danke, dass du deine Session so nochmal zusammengefasst hast. Ich fand es wirklich interessant (beides).
    Ehrlich gesagt habe ich mich vorher noch nie mit dem Thema beschäftigt, da es in meinem Umfeld keinen Anlass dazu gab. Umso besser, wenn ich mal draufgestoßen werden, mit welchen Problemen andere so ihren Alltag meistern.
    LG Lexa

    • Schwerhörigkeit ist auch einfach eine „unsichtbare“ Behinderung. Wer nicht gezielt darauf achtet, nimmt im Alltag nur die ganz „schweren Fälle“ wahr. Ich persönlich schaue sehr vielen Leuten auf die Ohren und sehe dadurch auch viele Menschen mit Hörgeräten.

      Jedenfalls ist es schön, dass du dich dennoch für die Session entschieden hast und nun in Zukunft im Falle eines Falles wahrscheinlich besser mit Schwerhörigkeit bei Familie, Freunden und Bekannten umgehen kannst 🙂

      LG Elena

  5. Liebe Elena,

    Vielen, Vielen Dank für das Verschriftlichen der Angelegenheit. Es war sehr informativ und interessant, das mal aus Sicht einer Person zu lesen, die selbst betroffen ist, besonders Alltag und der Weg zum Akustiker. Vor allem der Umgang als Außenstehender war sehr interessant und hilfreich für mich und hat mir gezeigt, dass da bei mir und gesellschaftlich noch viel Luft nach oben ist. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, alles so intensiv zu erläutern!
    Liebe Grüße,
    Laura

    • Liebe Laura,

      gern geschehen! 🙂 Es ist gesellschaftlich auf jeden Fall noch Luft nach oben da, aber das ist ja bei vielen Sachen der Fall. Und wie bei vielen Sachen sehe ich auch noch bei Schwerhörigkeit viel Bedarf nach Aufklärung, damit die Menschen überhaupt die Chance haben, die Einschränkung richtig zu verstehen.

      Liebe Grüße
      Elena

  6. Liebe Elena, herzlichen Dank für den Artikel. Er ist sehr gut gelungen. Danke auch für die Vergleiche bzw. Beispiele, die vieles verdeutlichen. Ich finde es sehr interessant und kann mir gut vorstellen, wie anstregend so eun Tag sein kann. Vieles war mur so auch gar nicht klar und als Hörender ist es häufig nicht zu erkennen, wenn das Gegenüber Schwierigkeiten mit dem Hören hat. Auf jedenfall bedeutet es für mich mehr aufzupassen und sich nicht dem allgemeinen Trend „Ungeduld bzw. Alles schnell schnell“ anzupassen.
    Liebe Grüsse Isabel

    • Liebe Isabel,

      ja, es ist in der Tat nicht immer leicht zu erkennen, ob jemand nicht gut hört. Grad bei flüchtigen Alltagsbegegnungen habe ich und vermutlich auch viele andere schwerhörige Menschen nicht die Lust, direkt mit einer Selbstoffenbarung zu starten, weil es vielleicht Schwierigkeiten in der Kommunikation geben könnte. Aber wie du selbst schreibst, „einfach“ das Gesagte geduldig wiederholen 🙂

      Liebe Grüße
      Elena

  7. Hallo Elena,
    ich habe eigentlich nie mit schwerhörigen oder gehörlosen Menschen zu tun und habe deshalb auch keine Möglichkeit, mich aus erster Hand zu informieren. Wie schön, dass ich auf diesen Beitrag gestoßen bin, denn mit Deinen sehr anschaulichen Beispielen und Vergleichen hast Du mir Dein Erleben sehr gut verständlich gemacht. Und auch, wie man helfen kann, ohne dass man ausdrücklich dazu aufgefordert werden muss. Ich hätte z. B. nicht wirklich daran gedacht, dass man erschrecken könnte, wenn man mich nicht von hinten kommen hört – obwohl das eigentlich logisch ist.
    Wie gut, dass es technische Unterstützung durch hochwertige Hörgeräte gibt. Dass man trotzdem so eine langwierige und komplexe Anpassung braucht, hätte ich auch nie gedacht.
    Vielen Dank für diese interessanten Informationen.
    Liebe #Litnetzwerk-Grüße
    Gabi

    • Liebe Gabi,

      ich denke, du merkst es wie viele andere Menschen in den meisten Fällen nur nicht. Jeder sechste Mensch in Deutschland hat eine Hörbeeinträchtigung, die Hälfte davon allerdings „nur“ eine leichtgradige Schwerhörigkeit. Es ist eben eine ziemlich unsichtbare Behinderung.

      Auf jeden Fall freut es mich sehr, dass dir die Beispiele weitergeholfen haben und du den Beitrag informativ fandest 🙂

      Liebe Grüße
      Elena

  8. Sehr interessanter Beitrag. Sehschwächen sind im Alltag ja ständig Thema, was das Hören angeht, bekommt man aber kaum etwas davon mit. Oder wenn, dann meist nur, weil es um die eigenen Eltern oder Großeltern geht. Das ist einfach ein Thema, was sehr selten angesprochen wird. Deshalb vielen Dank für den Beitrag, der mein Verständnis dafür etwas verbessert hat.

    • Ja, da Schwerhörigkeit (wie viele andere Behinderungen) oftmals erst im Laufe des Lebens erworben wird, ist es ein viel größeres Thema unter älteren als unter jungen Menschen. Es ist jedenfalls schön, wenn ich etwas mehr Verständnis wecken konnte 🙂

  9. Hallo Elena!

    Danke für den super spannenden Beitrag. Die Beispiele um zumindest ansatzweise eine Idee zu bekommen, wie sich Schwerhörigkeit anfühlt, waren hervorragend gewählt.

    Ich habe selten so viel in 2.000 Wörtern gelernt. Du hast mir unglaublich dabei geholfen, meine Großeltern oder ihr Verhalten nun etwas besser zu verstehen.

    Ich gehöre auch zu denen, die sich bis jetzt dachten: „Ja, dann nimm doch einfach ein Hörgerät. Die Technik macht doch heute e alles möglich“. Du hast mir gezeigt, dass die Technik sehr viel möglich macht und mir auch sehr verständlich gemacht, wo dennoch die Einschränkungen oder Herausforderungen liegen. Das man Hören lernen kann / muss war mir bis jetzt auch noch nicht bewusst.

    Liebe Grüße
    Sabrina
    #litnetzwerk

    • Hallo Sabrina!

      Vielen Dank für das Lob, da hat es sich definitiv gelohnt, den Beitrag zu schreiben.

      Es ist ja bei vielen Dingen so, wenn jemand nicht direkt oder zumindest mittelbar betroffen ist, macht man sich kaum weitergehende Gedanken. Insofern freut es mich, dass ich mit diesen Beitrag ein wenig Aufklärung leisten konnte 🙂

      Liebe Grüße
      Elena

  10. Hallo Elena,

    danke für diesen Einblick in dein Leben. Wenn man selbst keine Hörprobleme hat, macht man sich da vielleicht nie so Gedanken drüber. Ich findes es toll, wie offen und ehrlich du darüber sprichst und versuchst dafür zu sensibilisieren. Ein toller Beitrag, danke dafür!

    Alles Liebe, Ela

    • Hallo Ela,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich, dass ich dich und so viele andere Menschen mit diesem Beitrag etwas sensibilisieren konnte 🙂

      Liebe Grüße
      Elena

  11. Pingback: Linkliebe № 18 | Meergedanken

  12. Vielen Dank für den Beitrag! Ich bekomme zwar oft mit, das ältere Menschen ihre Hörgeräte eher in die Schublade legen oder erst gar keines haben. Das der Anpassungsprozess trotzdem so kompliziert ist, hätte ich nicht gedacht.

    Wie ist das eigentlich mit den Kosten? Werden die Geräte von den Kassen bezahlt oder ist das je nach Versicherung unterschiedlich?

    • Ja, es ist ohne vorherige Berührung mit dem Thema schwer vollstellbar, dass es so lange dauert. Da aber schon minimale Verbesserungen den Unterschied machen können zwischen gut mitkommen und gefühlt fast nichts zu verstehen, sollte der Aufwand nicht gescheut werden. Das ist ein bisschen so wie mit einer Brille: Selbst kleine Veränderungen der Sehschwäche können dazu führen, dass eine Brille einen auf einmal Kopfschmerzen macht …

      Puh, mit dem Thema Kosten sprichst du was an. Das wäre definitiv einen eigenen Beitrag wert. Nicht umsonst gibt es eine vierzigseitige Anleitung, wie am besten vorgegangen werden sollte: https://www.schwerhoerigen-netz.de/fileadmin/user_upload/dsb/Dokumente/Information/Politik_Recht/Hoergeraete/DSB_Beratungsrichtlinie_180504_V5.pdf

      Ganz kurz: Krankenkassen zahlen einen Festbetrag. Der Akustiker ist verpflichtet, zuzahlungsfreie Geräte anzubieten. Welche das sind, entscheidet er selbst. Diese können auch sehr gut zum Betroffenen passen, müssen aber nicht. Außerdem gibt es zuzahlungspflichtige Geräte, die meistens mehr können. Ob der Betroffene die Funktionen braucht spricht einen Nutzen draus zieht, ist immer nur individuell zu beantworten.

      Ziel und Aufgabe der Krankenversicherungen ist eine ausreichende Versorgung unter den Aspekt der Wirtschaftlichkeit. Nur was ist ausreichend? Bei mir endete das letztes Mal dann damit, dass ich einen Einzelfallantrag stellte, in dem ich begründe, warum ich die zuzahlungspflichtigen Geräte brauche: Ich höre damit besser, vor allem im Beruf und das sichert meine Erwerbstätigkeit usw. Außerdem muss dann nachgewiesen werden, dass die zuzahlungsfreien Geräte das nicht leisten konnten. Üblicherweise sollte man mindestens drei zuzahlungsfreie Geräte getestet haben, mit denen Test absolviert haben, am besten ein Hörtagebuch geführt haben… Und daher also die langen Anpassungszeiten. Wer es sich leisten kann, spart sich oft den Papierkram und zahlt selbst. Aber nicht jeder hat im Zweifel einen vierstelligen Betrag PRO Ohr über.

      Das oben Geschriebene bezieht sich auf die gesetzliche Krankenversicherung.

  13. Ich fand deinen Text auch sehr spannend und informativ – vor allem, da ich mich in letzter Zeit regelmäßig über die Nachbarin ärgere, die so gern mehr Austausch hätte und einem regelmäßig im Flur auflauert, mit der aber Kommunikation durch ihre Schwerhörigkeit kaum möglich ist. Ich versuche in Zukunft ein bisschen mehr Geduld mit ihr aufzubringen … 🙂

    • Danke für deine Rückmeldung 🙂 Ich finde, wenn Menschen ihre Hörhilfen gar nicht nutzen, darf man ruhig etwas genervt sein. Das ist nur menschlich. Aber natürlich finde ich es trotzdem gut, wenn dir das etwas mehr Geduld schenkt!

      • Bei dieser Nachbarin kommen ja noch mehr Faktoren dazu – trotzdem werde ich versuchen in Zukunft geduldiger zu sein. 😉

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