„Circe“ von Madeline Miller

Foto vom Buch "Circe" von Madeline Miller

Madeline Miller verwebt in ihrer Neuerzählung der griechischen Mythologie viele Sagen des klassischen Altertums zu einer fesselnden Geschichte. In deren Mittelpunkt steht eine starke Frau: „Circe“, auf Deutsch Kirke. Bekannt ist die Figur besonders als die Hexe, die Odysseus Männer in Schweine verwandelt, doch hinter ihr verbirgt sich so viel mehr. Warum das Buch zu Recht den ersten Platz in der Kategorie Best Fantasy bei den Goodreads Choice Awards 2018 erlangte, verrate ich Euch in dieser Rezension!

Mehr Informationen zum Buch
Autorin: Madeline Miller
Originaltitel: „Circe“
Seitenzahl: 352 Seiten
Verlag: Bloomsbury Publishing
Veröffentlichungsdatum: 10. Mai 2018

Deutsche Übersetzung: „Ich bin Circe“ im Eisele Verlag am 30. August 2019

In the house of Helios, god of the sun and mightiest of the Titans, a daughter is born. But Circe has neither the look nor the voice of divinity, and is scorned and rejected by her kin. Her isolation leads her to discover a power forbidden to the gods: witchcraft.

When love drives Circe to cast a dark spell, vengeful Zeus banishes her to the remote island of Aiaia, where she learns to harness her occult craft. But there is danger for a solitary woman in this world, and Circe’s independence draws the wrath of men and gods alike. To protect what she holds dear, Circe must decide whether she belongs with the deities she is born from, or the mortals she has come to love.

Inhalt

Im Haus von Helios, den Gott der Sonne und den Mächtigsten der Titanen, wird eine Tochter geboren. Doch Kirke hat weder göttliches Aussehen noch Stimme und so wird sie von den anderen verachtet und ausgegrenzt. Aus Liebe wendet sie sich einer verbotenen Kraft zu: Hexerei.

Nach der Aufdeckung von Circes Taten folgt durch den rachsüchtigen Zeus ihre Verbannung nach Aiaia, einer abgelegenen Insel. In der Abgeschiedenheit erforscht und erweitert Circe ihre Hexenkräfte. Doch in dieser Welt drohen einer einsamen und unabhängigen Frau Gefahren. So muss Circe mehr als einmal ihre Kräfte einsetzen, um sich den Zorn von Menschen und Göttern zu erwehren …

Cover vom Buch "Circe" von Madeline Miller

Meinung

„Humbling women seems to me a chief pastime of poets. As if there can be no story unless we crawl and weep.“

Es gibt viele hunderte altertümliche Sagen, die wir uns noch heute erzählen und die vielfach in Filmen und anderen Medien aufgegriffen wurden: Dädalus und sein Sohn Ikarus, Jason und die Argonauten, Odysseus Irrfahrt… Doch eins haben sie gemeinsam: Frauen sind schmückendes Beiwerk. Ihre Funktion ist beschränkt auf der Auslöser zu sein, wie die schöne Helena von Troja; den Helden zu helfen, wie die zauberkundige Medea; oder als Spielball der Götter zu dienen, wie Pasiphae von Kreta. Madeline Miller hat jedoch mit Kirke bewusst eine Frau in das Zentrum ihrer Neuerzählung gestellt und nicht nur ihr, sondern auch den oben angeführten Frauen sowie anderen weiblichen Charakteren eine eigenen Stimme verliehen.

„But in a solitary life, there are rare moments when another soul dips near yours, as stars once a year brush the earth. Such a constellation was he to me.“

An der Figur von Kirke gibt es viele reizvolle Aspekte. Besonders interessant fand ich, dass auf der einen Seite Kirke sich weder für besonders intelligent hält noch ist, wir als Leser aber auf der anderen Seite dennoch genauso wie sie von bestimmten Entwicklungen und Offenbarungen überrascht werden, so dass die Erzählung spannend bleibt. Zu Beginn der Geschichte wird Kirkes Alltag unter den Göttern und deren Kinder dargestellt. Zeit und menschliche Bedürfnisse spielt für diese Wesen keine Rolle – ihr Leben dreht sich um Lust, Macht und Zerstreuung. So wirken sie und somit auch Kirke trotz ihrer unendlichen Lebenszeit recht beschränkt und einfältig. Zum Glück wird es mit Entdeckung der Hexerei durch Kirke dann wesentlich spannender. Spätestens nach ihrer Verbannung beginnt Kirke charakterlich zu wachsen und wird mit den Jahren immer mehr zu einer selbstbewussten Frau mit Makeln, aber auch Weisheit. Dies zeigt sich auch an den Beziehungen, die erste voller Unschuld, die späteren abgeklärt und emanzipiert. Somit spielen Männer durchaus eine Rolle in Kirkes Leben, sie sind jedoch nicht alles bestimmend.

„He showed me his scars, and in return he let me pretend that I had none.“

Doch nicht nur Kirke hat Madeline Miller auf eine differenzierte Weise dargestellt, sondern auch viele andere antike Frauenfiguren, die dadurch viel mehr Tiefe bekommen. Auf der anderen Seite sind die allseits männlichen Heldenfiguren, die mittels Kirke und andere Frauen eine neue Bewertung erfahren. Hier sticht besonders Odysseus hervor, dessen Charakter spätestens dann in einen neuem Licht erscheint, als Kirke auf Penelope und deren Sohn Telemachos trifft. Zudem zeigt sich hier, dass Frauen sich nicht als ewige Rivalinnen betrachten müssen.

Für mich war es eine interessante Reise durch die griechische Sagenwelt, die mir trotz Vorwissen viele neue Erkenntnisse brachte. Madeline Miller bricht den klassischen Dualismus zwischen hilflosen Frauen und bösen Zauberinnen auf und schafft eine facettenreich Beschreibung der altbekannten Mythologien und ihrer legendären Figuren. So spielt die Geschichte zwar einerseits vor tausenden Jahren und beinhaltet anderseits eine emanzipierte Darstellung. Zudem besitzt die Autorin eine einzigartige Erzählstimme, welches ihr Werk deutlich von anderen abhebt. Kurzum: Eine gelungene feministische Neuinterpretation.

Foto vom Buch "Circe" von Madeline Miller

Empfehlung?

Aus meiner Sicht ist das Buch „Circe“ aus vielerlei Hinsicht sehr empfehlenswert: Es vermittelt Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Sagen, verdeutlicht die Hierarchie der Götter und lässt zudem eine Frau ihr Schicksal in die Hand nehmen. Madeline Miller ist diese feministische Neuerzählung großartig gelungen.

In einem Satz

Eine gelungene feministische Neuerzählung von Kirke und anderen bekannten Frauenfiguren der griechischen Mythologie, die ganz neue Betrachtungsweisen eröffnet.

15 Kommentare

  1. Hallo Elena

    Ich habe schon eine andere Rezension über dieses Buch gelesen und schon da hat es mich extrem gereizt. Für mich stimmt eigentlich alles, aber ich traue mir bei diesem Buch das Englisch noch nicht zu. Weisst du ob es übersetzt wird?

    Danke für deine tolle Rezension! Ich mag deine ehrliche und gut begründete Meinung.

    Liebe Grüsse

    Josia

    • Hallo Josia,

      vielen Dank für dein Lob, das ehrt mich sehr 🙂

      Zum Thema Übersetzung habe ich leider keine konkreten Infos. Da aber das vorherige Buch von Madeline Miller übersetzt wurde und „Circe“ den Goodreads Choice Award for Fantasy dieses Jahr gewonnen hat, gehe ich doch sehr stark davon aus, dass bald auch eine Übersetzung dieses Buches kommt. Warte also vielleicht einfach noch paar Monate ab.

      Liebe Grüße
      Elena

  2. Ich finde ja Neuinterpretationen von Sagen immer interessant. „The Song of Achilles“ hat mich nicht gereizt, weil Achill für mich dank Christa Wolf dermaßen negativ besetzt ist, dass ich ihn wahrscheinlich nie wieder als Sympathieträger sehen kann, aber dieser Roman klingt sehr faszinierend.

    • Ich muss zugeben, dass mich Geschichten zu Achilles auch nicht so interessieren, bin generell auch nicht so ein „Fan“ des trojanischen Krieges. Aber „Circe“ solltest du auf jeden Fall mal ausprobieren, wenn du Neuinterpretationen von Sagen magst. Mir hat an der Geschichte unter anderem so gut gefallen, dass es eben nicht direkt an einer der „üblichen“ Sagen angeknüpft ist, sondern viele verschiedene Sagen zusammengeführt werden.

  3. Ich sage mir immer wieder beim Litnetzwerk, dass ich keine Rezensionen lesen darf, weil die Bücher dann alle auf meinem Wunschzettel landen 😀
    Das ist hier keine Ausnahme. Und außerdem ist das Cover auch noch wunderschön! *_*

    • Hihi, das kenne ich, meine Wunschliste wird dann auch immer länger. Aber so lange es nur die Wunschliste ist … 😉

      Und ja, das Cover ist einfach wundervoll!

  4. Hi!

    Das klingt nach einem wirklich tollen Buch! Eine schöne Rezension, so viel ist sicher! Ich finde es sehr spannend, dass eine Autorin die Antike einfach mal anders darstellt. Das ist so erfrischend! Man merkt, dass du es sehr genossen hast dieses Buch zu lesen.

    Liebste Grüße,
    Wiebi
    #litnetzwerk

    • Huhu,

      danke für deinen Kommentar, es freut mich, dass meine Freude am Buch in der Rezension rüber gekommen ist.

      Liebe Grüße
      Elena

  5. Hey Elena,

    was für eine tolle Rezension! Ich will auch schon seit Ewigkeiten ein Buch von Madeline Miller lesen und mit jeder begeisterten Rezension, die ich lese, wird dieser Wunsch größer 😀

    Ich hoffe, ich komme jetzt auch bald endlich mal dazu.

    Alles Liebe
    Aileen

    • Hallo Aileen,

      vielleicht wird der Wunsch jetzt bald groß genug, dass du ihn in die Tat umsetzt. Es lohnt sich!

      Liebe Grüße
      Elena

  6. Schöne Rezension! Kann dir in vielen Punkten nur zustimmen, allerdings fand ich es zum Schluss doch etwas schade, dass in Bezug auf die Handlung nicht mehr gemacht wurde. Das Innenleben von „Circe“ lernen wir natürlich aus einer ganz neuen Perspektive kennen, aber ein kleiner Twist hätte mir gut gefallen, der sich von der sonst uns bekannten Geschichte etwas abhebt.

    Bin jetzt aber quasi auf den Geschmack gekommen und habe hier schon „The Song of Achilles“ liegen. 🙂

    Liebe Grüße
    Karin

    -#litnetzwerk

    • Das mit der sehr engen Orientierung am Bekannten war mir jetzt nicht so aufgefallen, aber ich bin auch nicht so fit in der griechischen Mythologie. Du kannst ja mal schauen, ob Madeline Miller in „The Song of Achilles“ mutiger war 🙂

      Liebe Grüße
      Elena

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