„Ruined“ von Amy Tintera

Foto von "Ruined"

Von „Ruined“ hatte ich mir eine mäßige YA-Fantasy erwartet, doch Amy Tintera ist trotz einiger Klischees und Ungereimtheiten eine tolle Umsetzung gelungen. Ihre Protagonistin Emelina erweist sich als emanzipierte Heldin, die auch ohne Magie zahlreiche Fähigkeiten besitzt. Dafür gibt der Protagonist Cas mehr als einmal die Jungfrau in Nöten.


Mehr Informationen zum Buch

Autorin: Amy Tintera
Originaltitel: „Ruined“
Reihe: Ruined #1
Seitenzahl: 355 Seiten
Verlag: Harper Teen
Veröffentlichungsdatum: 3. Mai 2016

In deutscher Übersetzung am 9. Oktober 2017 als „Ungekrönt“ bei HarperCollins erschienen. Im Deutschen heißt die Reihe „Die Legende der vier Königreiche“.

A revenge that will consume her. A love that will ruin her.

Emelina Flores has nothing. Her home in Ruina has been ravaged by war. She lacks the powers of her fellow Ruined. Worst of all, she witnessed her parents’ brutal murders and watched helplessly as her sister, Olivia, was kidnapped.

But because Em has nothing, she has nothing to lose. Driven by revenge and the hope of finding Olivia, Em sets off on a dangerous journey to the enemy kingdom of Lera. In a brilliant, elaborate plan of deception and murder, Em marries Prince Casimir, next in line to take Lera’s throne. If anyone in Lera discovers Em is not Casimir’s true betrothed, Em will be executed on the spot. But it’s the only way to salvage Em’s kingdom and what is left of her family.

Em is determined to succeed, but the closer she gets to the prince, the more she questions her mission. Em’s rage-filled heart begins to soften. But with her life—and her family—on the line, love could be Em’s deadliest mistake.

Inhalt

Emelina Flores hat alles verloren: Ihr Heim in Ruina wurde vom Krieg zerstört, ihre Eltern brutal ermordet und ihre Schwester Olivia entführt. Zudem fehlen ihr die Kräfte der anderen Ruined. Doch deshalb hat Em nichts zu verlieren und entwickelt einen tollkühnen Plan: In der Hoffnung, ihre Schwester zu finden und Rache nehmen zu können, will sie mittels Mord und Täuschung Prinz Casimir, den Thronfolger des verfeindeten Königreiches Lera, heiraten.

Em ist fest entschlossen, erfolgreich zu sein. Sollte irgendwer in Lera herausfinden, dass sie nicht Cas‘ wahre Verlobte ist, droht ihr die sofortige Hinrichtung. Doch je näher sie den Prinzen kommt, desto mehr hinterfragt sie ihre Mission und ihr zornerfülltes Herz wird weicher. Doch ihr Leben und das ihrer Schwester stehen auf dem Spiel, so dass Liebe Ems tödlichster Fehler werden könnte …

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Meinung

„Ruined“ hat mich direkt am Anfang überrascht: Statt langer Vorrede wurde ich direkt in einen Überfall hineingeworfen. Überhaupt verzichtet Amy Tintera erfreulicherweise weitestgehend auf Infodumping, sondern lässt relevante Informationen nach und nach einfließen. Dadurch ist das Erzähltempo vor allem zu Anfang wesentlich flotter als in vergleichbaren Romanen.

„You were born useless, but you dont have to be helpless.“

Ebenfalls überraschend kam für mich, dass die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt wird. Da ist zum einen natürlich Em, die zwar eine Ruined ist, aber keinerlei magische Fähigkeiten besitzt. Das bedeutet, dass sie sich auf ihre durch hartes Training erworbenes Können verlassen muss und dennoch absolut nicht hilflos ist. Denn was ihr an magischer Kraft fehlt, gleicht sie durch strategisches Denken aus. Schade nur, dass sie nach der Begegnung mit den Prinzen doch etwas bei der Verfolgung ihrer Ziele wankt.

„I certainly have never had to pretend to be weak. But your mother is right. There’s a benefit to being underestimated.“

Auf der anderen Seite ist da Cas, der anscheinend sehr behütet aufgewachsen ist und deshalb noch eine große Naivität besitzt. Seine Menschenkenntnis scheint nicht die beste zu sein, denn trotz Ems durchwachsener Bemühungen enttarnt er sie nicht. Wenn jemand in dieser Geschichte die Damsel in Distress ist, dann er, denn er wird öfters in schwierigen Situationen von anderen gerettet. Dennoch zeigt sich nach und nach, dass er nicht nur menschliche Qualitäten besitzt, sondern auch mit einem Schwert umzugehen weiß. Außerdem ist er herrlich sarkastisch wie auch viele andere Charaktere, was für tolle Dialoge sorgt. Dennoch bleibt die Ursache der Anziehung von Em zu ihm weitestgehend unklar.

Was für mich auch ziemlich überraschend war, was ich jedoch absolut fantastisch fand: Die Gleichberechtigung der Geschlechter. Das Königreich namens Olso hat zahlreiche Männer UND Frauen, die sich für das Leben als Krieger*innen entscheiden und sich ganz den Kämpfen widmen. Im Ansehen gibt es dabei keinerlei Unterschied zwischen den Geschlechtern und auch anderswo werden die Kriegerinnen respektiert. So gibt es zum Beispiel eine Szene, wo Emelina mit einer Kriegerin tanzt und niemand nimmt Anstoß daran! An vielen Stellen wird deutlich, dass auch in den anderen Königreichen Frauen absolut ebenbürtig zu Männern angesehen werden. Passend dazu kommen auch ein paar nicht-straight Menschen darin vor, wobei ihre Sexualität nur ein Hintergrunddetail ist.

„The only way to find peace was to kill everyone who threatened it.“

Verschiedene Aspekte bleiben jedoch ungereimt oder zumindest nebulös. Allen voran beschäftigte mich die Frage: Wie entstand ursprünglich die Idee zum Völkermord? Beide Seiten des Konflikts erläutern relativ glaubhaft ihre Sicht, aber ich bin wohl zu humanistisch eingestellt, als dass ich die potenziell große Bedrohung durch die magischen Fähigkeiten der Ruined als Legitimation für ihre Vernichtung akzeptieren kann. Das soll aber nicht heißen, dass ich die Ruined für Unschuldslämmer halte, vor allem Ems Mutter scheint ein besonderer Kaliber gewesen zu sein. Interesse an Land und Vermögen scheinen aber auch nicht die treibenden Motive gewesen zu sein. Vielleicht Machtgier? Jedenfalls ist die Situation moralisch nicht eindeutig.

Weitere offene Fragen: Wie groß sind die einzelnen Länder? Warum haben sich die königlichen Familien untereinander nie gesehen? Zumindest lässt sich einwenden, dass es Cas und Em vermutlich einfach das Wissen über die Gründe fehlt und andere Sachen ihnen gut bekannt sind, so dass sie da nicht groß drüber nachdenken müssen. Aber zumindest eine Karte wäre sehr hilfreich gewesen. Generell finde ich die Hintergrundgeschichte und den Weltenbau etwas mangelhaft, auch wenn die Qualität sich im üblichen Bereich bei YA-Fantasy bewegt.

Wer sich aber nicht von solchen Details stören lässt, bekommt ein Buch, dass sich dank der recht straffen Handlung schnell durchlesen lässt. Mit Em bietet es eine Heldin, die nicht auf den Kopf gefallen ist und sich selbst verteidigen kann. Da lässt es sich auch verschmerzen, dass Cas zu Anfang extrem arglos ist, denn er mausert sich. „Ruined“ ist zudem gut abgeschlossen, auch wenn das Ende neugierig auf die beiden weiteren Teile der Trilogie macht.

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Empfehlung?

Wer gerne „klassische“ YA-Fantasy liest, wird hier gut bedient, denn „Ruined“ bietet die gewohnten Zutaten mit abwechslungsreicher Anrichtung. Mit Em gibt es eine emanzipierte Heldin, die alles andere als eine damsel in distress ist. Doch ihr love interest Cas kann da leider bei weiten nicht mithalten, obwohl ihn viele Leser*innen ziemlich süß finden dürften. Daher bleibt die Geschichte doch etwas hinter ihrem Potenzial zurück.

In einem Satz

Konventionelle YA-Fantasy mit Rollentausch bei der Jungfrau in Nöten, welche gut zu unterhalten weiß, so lange nicht zu viel Originalität erwartet wird.

4 Kommentare

  1. Liebe Sandra!
    Ich muss sagen, das Buch hatte ich kurze Zeit mal im Kopf und dann irgendwie nicht mehr. Aber es klingt eigentlich ganz gut. Klassische Jugendfantasygeschichte, würde ich sagen.
    Was du ansprichst: Wie groß sind die einzelnen Länder? Das fällt mir inzwischen sehr oft auf. Nur wenige Bücher (egal, in welches Genre man schaut) haben eine wirklich ausgearbeitete Welt. Meistens bewegen sich die Protagonisten nur in einem Umkreis von 100km und das war’s dann. Aber gut, wenn es sich um eine Reihe handelt, könnte das ja eventuell noch geklärt werden. Es ist nur auffällig.
    Sehr schöne Rezension!
    Liebe Grüße,
    Emily

    • Liebe Stopfi,

      die Reihe scheint im deutschsprachigen Raum auch nicht so eingeschlagen zu sein, da lässt sie sich leicht aus dem Blick verlieren. Ich finde sie auf jeden Fall sehr solide und habe vor, weiterzulesen. Und ja, eine ausgearbeitete Welt mit geographischen Besonderheiten und klaren Dimensionen, das vermisste ich nicht nur in diesem Buch *seufz*

      Liebe Grüße
      Elena

  2. Schöne Rezension! Ich stimme dir da eigentlich überall zu – mir hat es auch unglaublich gut gefallen, dass zwischen Cas und Em die Rollen vertauscht sind, und überhaupt, dass nicht der „übliche“ Fantasy-Sexismus aufgegriffen wird. Leider habe ich mich immer extrem am Schreibstil gestört, und habe auch immer noch viel zu viele offene Fragen über den Weltenbau. Eine Karte würde dem Buch, wie du schon gesagt hast, wirklich guttun! 🙂

    • Danke dir! Dass mit den Weltenbau fixen vielleicht noch die nächsten zwei Bände der Trilogie. Aber wenn es mit dem Schreibstil nicht gepasst hat, lohnt sich das Weiterlesen für dich wohl eher nicht. Aber es gibt ja noch genug Bücher da draußen 🙂

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